Anatomietheater sind, wie der Name schon sagt, menschliche und tierische Körper die zu Lehrzwecken seziert werden. Diese Räumlichkeiten spielen eine entscheidende Rolle in der Geschichte der Medizin, da sie den Studierenden und anderen Interessierten die Möglichkeit bietet, das menschliche Innere aus erster Hand kennen zu lernen.
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Anatomisches Theater oder theatrum anatomicum bezeichnet einen Raum oder Hörsaal mit tribünenartiger Anordnung der Zuschauerplätze mit freier Sicht auf die 'Bühne'. Diese Bühne stellt in der Regel ein Tisch dar, der in der Mitte des Saales platziert ist, auf dem anatomische Demonstrationen und Sektionen (Zergliederungen) stattgefunden haben.
Bereits im 14. Jahrhundert nach Christus fanden die ersten öffentlichen Obduktionen statt. Diese waren für Fakultätsmitglieder, Studenten und Mitglieder der Obrigkeit zugänglich und wurden theatralisch zur Schau gestellt, meist auf Friedhöfen einfach unter freiem Himmel. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verlagerten sich diese jedoch immer mehr in die Innenräume der Fakultät, da man die Zuseher nicht mehr länger der Witterung aussetzen wollte. Es fanden auch immer wieder Sezierungen in privaten Räumlichkeiten oder in Hinterhöfen statt. Diese Praxis war jedoch höchst umstritten, da diese unhygienisch waren und die Leichen oft direkt illegal von den Friedhöfen entwendet wurde.
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Dies ändert sich 1594 mit der Gründung des ersten permanenten anatomischen Theaters in Padua (Italien). Die Entstehung der Anatomietheater kann man somit im 16. Jahrhundert beziffern. Auf Initiative des Medizinprofessors Girolamo Fabrici wurde dieses Theater eigens und speziell für die Durchführung von Sektionen und öffentliche Vorlesungen konzipiert.
Ein entscheidendes Kriterium beim Bau eines anatomischen Theaters war die Perspektive, der Rahmen und die Sicht. Ebenso von nicht geringerer Bedeutung ist die Anordnung des Raumes sowie die Rahmenbedingungen. Das Anatomietheater ist, in der Regel wie ein Amphitheater aufgebaut mit mehreren Reihen von Sitzplätzen, die sich um eine zentrale Sezernierungsbühne herum erheben. Dies ermöglicht es allen Zusehern den Prozess des Sezernierens genau mit zu verfolgen. In einigen dieser Theater gab es sogar spezielle Sitzplätze, sogenannte Logen, für hochrangige Gäste und bedeutende Persönlichkeiten. Zu der Ausstattung eines Anatomietheaters gehörte, ab dem 18. Jahrhundert, neben dem öffentlichen Darstellungsraum auch ein privater Arbeitsraum, ein Sammelraum sowie die 'anatomische Küche'. Diese Küche diente vor allem zur Präparierung der Knochen, der Knochenreinigung und zum Kochen. In diversen Anatomietheater wurden Holzskulpturen von berühmten Ärzten wie Hippokrates oder Paracelsus dargestellt. Aber auch die Konfrontation mit dem Tod wurde nicht gescheut und immer wieder Skulpturen oder Bilder des selbigen dargestellt.
Die Sezernierungen wurden meist von professionellen Anatomen durchgeführt. Diese waren Mediziner aber auch Lehrer. Sie verwendeten eine Vielzahl von Instrumenten, unter anderem Skalpelle, Pinzetten aber auch Sägen um den Körper zu eröffnen und die inneren Organe freilegen zu können. Während sie den Leichnam sezernierten machten Sie Erklärungen und beantworteten auch Fragen aus dem Auditorium.
Anatomietheater sind, trotz ihrer Bedeutung für die Medizin, nicht unumstritten. Viele Menschen betrachteten die öffentliche Zurschaustellung der Leichen als respektlos und makaber. Außerdem gab es immer wieder Bedenken hinsichtlich der Quelle der Körper. Oft wurden Kriminelle sezerniert, die nach ihrer Verurteilung der Wissenschaft zur Verfügung gestellt wurden.
Mit dem Aufkommen der modernen Medizin und neueren Techniken sowie der ethischen Standards im 19. und 20 Jhd. verloren die anatomischen Theater immer mehr an Bedeutung. Viele wurden geschlossen oder in andere Bildungseinrichtungen umgewandelt. Berühmte Anatomietheater befanden sich in Padua, Bologna, Amsterdam, Upsala, Kopenhagen, Heidelberg, Jena, Altdorf bei Nürnberg,... um nur einige zu nennen.
In den Anfängen meiner beruflichen Laufbahn war ich im Orthopädischen Krankenhaus in Gersthof. Selbst dort fand noch eine Art Anatomietheater statt, als der Chef des Hauses Univ. Prof. Dr. Hüftprothesen und Knieprothesen operierte und oben in der Galerie interessierte Ärzte und Ärztinnen aus aller Welt zuschauen konnten.
(ehem.) Orthopädisches Krankenhaus der Stadt Wien - Gersthof
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Medizingeschichte kann so spannend sein - mehr dazu erzähle ich euch gerne in einem direkten Gespräch oder in weiteren Blogbeiträgen bei ...weißt du?...
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