Ich kann mich noch erinnern, wenn meine Mama damals aus der Speisekammer eine neue (selbstgemachte) Marmelade geholt hat - diese war verschlossen mit einem Stück Folie mit Gummiringerl fixiert und darunter hat sich ein Deckel gebildet aus Zucker, Fruchtstückchen und teilweise Schimmel...
So erkläre ich meinen Patienten immer, wie sich BIOFILM bildet - die Wunde macht einen natürlichen Verschluss, aber einen schlechten.
Es gibt viele Situationen in denen eine Wunde entstehen kann - ein Sturz, ein Unfall, eine Operation - eine Gewebeschädigung ist schnell passiert. Für die meisten ist diese Wunde von kurzer begrenzter Dauer, bei manchen jedoch kommt es zu Wundheilungsstörungen und es entsteht eine chronische Wunde. Nicht selten hat sich dann ein sogenannter Biofilm gebildet. Dieser verhindert dass sich die Wunde schließt und heilen kann. Biofilme können auf unterschiedlichem Untergrund entstehen - auf Wasserleitungen, auf Lebensmitteln, auf Kühlanlagen und auch auf Wunden - letzteren will ich heute näherbringen.
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Was ist der Biofilm?
So einfach, wie oben beschrieben, ist es natürlich nicht mit dem Biofilm. Biofilme in Wunden sind Lebensgemeinschaften, die sich aus unterschiedlichen Bakterien zusammensetzen. Diese haften an der Oberfläche und vermehren sich schnell in feucht-warmen Milieu - also ist eine Wunde der ideale Nährstoff für selbige. Biofilme sind außerdem in der Lage, Schleim aufzubauen, die sogenannte Matrix. Diese Matrix besteht aus Schichten von Polysacchariden, Proteinen, Lipiden und Bakterien-DNA. Diese kommunizieren miteinander und locken somit immer neue Erreger an, dadurch wächst die Matrix und geht auch in das umliegende Gewebe über.
Biofilm und Wundheilung
In Laboruntersuchungen wurde festgestellt, dass sich Bakterien wie Staphylococcus, Streptococcus, Pseudomonas und Escherichia Coli binnen Minuten an eine Oberfläche anhaften. Bereits nach zwei bis 4 Stunden nach dem Anhaften ist eine starke Anheftung erkennbar und wachsen dann rasch zu einem stark anhaftenden Biofilm an. Biofilme sind somit ein bedeutender Faktor bei Wundheilungsstörungen und verzögern somit die Wundheilung. Oftmals sind Wunden nur gering mit Bakterien behaftet, es gibt keine sichtbaren klinischen Symptome. Bei einer gestörten Wundheilung ohne sichtbare Symptomen spricht man von 'kritischen Kolonisation'. Heutzutage wird dieses Phänomen als Biofilm bezeichnet.
Wie erkennt man einen Biofilm?
Anfangs ist der Biofilm nur unter dem Mikroskop sichtbar. Erst wenn er längere Zeit besteht, ist die Matrix so dick, dass man ihn mit bloßem Auge erkennen kann. Es entsteht eine gelbliche, gelartige, GLÄNZENDE Masse, die sich nicht 'wegwischen' lässt. Die Unterscheidung zwischen Wundbelag (Fibrin) und Biofilm ist schwierig. Fibrin ist meist gelblich-grünlich TRÜBE und lässt sich 'wegwischen'. Es kann auch vorkommen, dass sich der Biofilm über Fibrinbelag legt - so gesehen kann Fibrinbelag auch ein Anzeichen für Biofilm sein.
Wie beeinflusst der Allgemeinzustand des Patienten die Behandlung?
Generell spielt der Allgemeinzustand einer Person bei chronischen Wunden eine entscheidende Rolle. Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Diabetes Mellitus, schlechtem Ernährungszustand, Durchblutungsstörungen oder bereits teilweise Nekrosen im Wundgebiet sind besonders gefährdet für die Bildung von Biofilm.
Was tun gegen Biofilm?
Biofilm verändert sich ständig und dadurch ist die Bekämpfung von Biofilm eine besondere Herausforderung. Ein weiterer Faktor, der die Bekämpfung von Biofilm so schwierig macht ist die Antibiotikaresistenz der einzelnen Bakterien, die in der Matrix eingebunden sind. Selbst wenn ein therapeutischer Angriff gelingt, kann sich Biofilm innerhalb von 24 Stunden wieder neu aufbauen. Forscher arbeiten intensiv an Produkten, die den Biofilm bekämpfen.
Bis es soweit ist, dass ein geeignetes Mittel erforscht und entwickelt wird, ist die wirksamste Methode, Biofilm zu bekämpfen ein chirurgisches Debridement mittels Skalpell, scharfer Löffel oder Curette. Hierbei versucht man, die schleimige Matrix zu entfernen. Zusätzlich helfen noch moderne Wundauflagen mit antimikrobiellen Substanzen mit, Biofilm zu bekämpfen.
Besonders effektiv hierbei sind Wundauflagen, die angereichtet sind mit PHMB (Polyhexamethylen Biguanid). Diese Substanz wirkt schnell gegen ein breites Erregerspektrum, nicht nur im Verband sondern auch direkt in der Wunde. Es wirkt bereits 6 Stunden nach Anlegen des Verbandes gegen 99,99% der Keime.
Auch Auflagen mit Silber (Hydrofaser - Aquacell extra ag+) können helfen, die Keimlast direkt im Wundbett zu reduzieren. Durch die Aufnahme von überschüssigen Exsudat bildet sich eine Gelschicht in der der Ionenaustausch stattfinden kann. Die dabei freigesetzten Silberionen können nun Bakterien abtöten.
Der Wirkstoff Jod (Betaisodonna) hilft dabei, die Keimlast zu reduzieren. Diese gibt es in verschiedenen Ausführungen - in ein Wunddistanzgitter eingearbeitet, als Gel oder als Spray.
Bei all den Produkten ist jedoch eines gefragt - GEDULD. Die Behandlung eines Biofilms benötigt Zeit. Die antimikrobielle Therapie muss häufig gewechselt werden, da eine einzelne Wundreinigung nicht alle Keime beseitigen kann. Bis die besiedelte Wunde Heilungstendenzen aufweist und sich schlussendlich schließt kann es mehrere Wochen oder Monate dauern.
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